Vogel im Morgenlicht

Den eigenen inneren Rhythmus verstehen: Lerche oder Eule?

Schlafforschung zeigt seit Jahren, dass jeder Mensch einen biologisch verankerten circadianen Rhythmus besitzt, der Wachheit, Konzentrationsfähigkeit und allgemeines Wohlbefinden beeinflusst. Dieser Rhythmus bestimmt, wann wir uns natürlich energiegeladen oder müde fühlen. Wenn man ihn beachtet, lassen sich gesündere tägliche Routinen entwickeln. Bis 2025 haben Studien aus europäischen Schlaflaboren bestätigt, dass etwa 30 % der Menschen zu frühen Aufstehzeiten neigen, während rund 25 % deutlich spätere Aktivitätsmuster zeigen. Der Rest liegt irgendwo dazwischen.

Was bestimmt, ob man eine Lerche oder eine Eule ist

Die circadianen Rhythmen des Menschen werden überwiegend vom suprachiasmatischen Nukleus gesteuert – einer Nervenzellgruppe im Hypothalamus, die als „innere Hauptuhr“ fungiert. Sie reagiert auf Licht, Hormone und genetische Faktoren. Innere Schlafvorlieben sind daher nicht einfach Gewohnheit. Forschungen zeigen, dass genetische Varianten, darunter des PER3-Gens, die natürliche Schlafzeit und Energieverteilung beeinflussen.

Menschen mit bestimmten Varianten fühlen sich morgens wacher und haben ein stabiles Leistungsniveau am frühen Tag. Andere erreichen ihre höchste geistige Leistungsfähigkeit eher abends, was sich besonders bei kreativen oder analytischen Aufgaben bemerkbar macht, die längere Konzentration erfordern.

Auch Umwelteinflüsse spielen eine Rolle. Künstliches Licht, unregelmässige Arbeitszeiten oder lange Bildschirmzeiten können die innere Uhr verschieben und den Körper stärker in Richtung später Aktivität drängen. Kehrt man jedoch zu regelmässigen Abläufen und einem stabilen Hell-Dunkel-Rhythmus zurück, tritt die natürliche Tendenz schnell wieder hervor.

Woran man den eigenen Chronotyp erkennt

Der einfachste Weg, seinen Chronotyp zu erkennen, besteht darin, zu beobachten, wann man ohne Koffein geistig klar ist, wann man am leichtesten einschläft und zu welchen Tageszeiten die Produktivität am höchsten ist. Lerchen wachen oft vor Sonnenaufgang erfrischt auf, werden abends früh müde und arbeiten morgens am konzentriertesten.

Eulen hingegen fühlen sich morgens unabhängig von der Schlafdauer träge. Ihre mentale Schärfe nimmt im Laufe des Tages zu und erreicht abends ihren Höhepunkt. Viele berichten über einen deutlichen Energieschub nach Sonnenuntergang, was sowohl kreative als auch analytische Tätigkeiten begünstigt.

Zwischentypen verfügen über flexiblere Muster. Auch wenn ihre Leistungsfähigkeit über den Tag verteilt stabil wirkt, zeigt sich oft eine leichte Tendenz in eine der beiden Richtungen. Eine zweiwöchige Beobachtung von Schlafenszeiten, Energieverlauf und Konzentrationsphasen liefert ein realistisches Bild des eigenen Chronotyps.

Wie man den Alltag an den eigenen Chronotyp anpasst

Wer Aufgaben an die eigene innere Uhr anpasst, arbeitet effizienter und fühlt sich ausgeglichener. Lerchen profitieren davon, anspruchsvolle Tätigkeiten auf den frühen Tag zu legen. Der Abend sollte ruhig gestaltet werden, um das natürliche frühe Einschlafen zu unterstützen. Regelmässige Mahlzeiten und Tageslicht am Morgen stabilisieren ihren Rhythmus.

Eulen sollten Aufgaben, die hohe Konzentration benötigen, in den späten Vormittag oder Nachmittag legen. Ein flexibler Arbeitsbeginn fördert ihre Leistungsfähigkeit deutlich. Helles Tageslicht kurz nach dem Aufstehen kann helfen, den Rhythmus zu stabilisieren, ohne den Körper zu überfordern.

Zwischentypen sollten auf gleichmässige Tagesabläufe achten. Ihre produktivsten Stunden sollten möglichst frei von Störungen bleiben. Strukturierte Routinen, ausreichende Flüssigkeitszufuhr und ausgewogene Ernährung fördern ein stabiles Energieniveau.

Anpassungen in Arbeit, Studium und Lebensstil

Viele moderne Arbeitsmodelle berücksichtigen inzwischen die Vielfalt der Chronotypen. Flexible Arbeitszeiten sind in Europa bis 2025 deutlich verbreiteter geworden. Lerchen eignen sich gut für frühe Besprechungen, analytische Tätigkeiten oder strukturierte Aufgaben. Eulen dagegen bringen oft am Nachmittag oder Abend ihre besten Leistungen ein.

Auch Studierende profitieren davon, ihren Lernrhythmus anzupassen. Morgenorientierte Menschen behalten komplexe Inhalte besser nach dem Frühstück, während abendorientierte Studierende neue Informationen später am Tag effizienter aufnehmen. Eine solche Anpassung kann nachweislich bessere Lernergebnisse ermöglichen.

Selbst körperliche Aktivität lässt sich am eigenen Rhythmus ausrichten. Lerchen fühlen sich morgens am leistungsfähigsten, während Eulen bei Trainingseinheiten am Nachmittag oder Abend bessere Ergebnisse erzielen. Regelmässigkeit bleibt jedoch der wichtigste Faktor.

Vogel im Morgenlicht

Gesunder Schlaf für jeden Chronotyp

Unabhängig vom Chronotyp braucht erholsamer Schlaf eine geeignete Umgebung. Ein ruhiges, dunkles Schlafzimmer, niedrige Temperaturen und weniger blaues Licht vor dem Schlafengehen unterstützen die natürliche Melatoninproduktion. Diese Massnahmen wirken sich positiv auf circadiane Stabilität und Schlafqualität aus.

Lerchen sollten am Abend gezielt beruhigende Aktivitäten wählen. Gedämpftes Licht, ruhiges Lesen oder entspannte Gespräche helfen dem Körper, in einen frühen Schlaf überzugehen. Helles Morgenlicht stärkt zusätzlich ihre Wachheit und Stimmung.

Eulen sollten starke Bildschirmhelligkeit am späten Abend vermeiden, da dies die Melatoninproduktion weiter verzögert. Eine schrittweise abendliche Entspannung unterstützt den Körper beim Übergang in den Schlaf, ohne gegen die eigene innere Uhr anzukämpfen.

Langfristige gesundheitliche Auswirkungen

Wer dauerhaft gegen seinen Chronotyp lebt, riskiert erhöhte Stresswerte, schlechtere Gedächtnisleistung und störungen des Stoffwechsels. Das Phänomen des „sozialen Jetlags“ – also viel zu frühes Aufstehen im Vergleich zur inneren Uhr – wird mit geringerer Herz-Kreislauf-Resilienz und geschwächter Immunfunktion in Verbindung gebracht.

Ein Leben im Einklang mit dem eigenen Rhythmus fördert die emotionale Stabilität. Menschen, die ihre natürliche Aktivitätsphase berücksichtigen, berichten häufiger von geringerer Anspannung, besserer Konzentration und ausgeglichener Energie über den ganzen Tag.

Wer seinen Chronotyp kennt und den Alltag darauf abstimmt, verbessert Leistungsfähigkeit, Schlafqualität und langfristige Gesundheit. Der Respekt gegenüber der eigenen inneren Uhr ist ein wirkungsvoller Schritt hin zu nachhaltigen Gewohnheiten und einem ausgeglichenen Lebensstil.